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Pfarrer Schmidt

Gemeinsam feiern

 

Fahrt nach Sarajevo 24.-28.5.09

Sonntag Abend, 24. Mai:
Flug von München dauert kaum eine Stunde. Erster Eindruck im Flugzeug: Die Mischung aus Menschen von blond bis dunkel. Ein Mann hat eine Hand mit nur einem Finger, der wie ein Fremdkörper aus einem Ballen am Ende des Armes hervorragt. Er bedient damit seinen Laptop.

In einer Zeitschrift lese ich über „ Sinnsuche als Wirtschaftsgröße“. Laut Zukunftsinstitut (M. Horx) gibt es in diesem Megatrend sechs Hauptrichtungen:
1. Regionales, 2. Tourismus mit Sinn, 3. Spiritualität, 4. Bildung, 5. Ethik- Konsum, 6. Ethik- Kapitalismus.

(Es wird sich zeigen, wie sehr unsere Ideen mit diesen Größen in Zusammenhang stehen, wir haben das anscheinend schon verinnerlicht).

Gespräch über die Weiterentwicklung der Kinderarche.

Damir holt uns am Flughafen ab.
Schon bei der ersten Fahrt wird mir deutlich, wie allgegenwärtig der Krieg noch ist. Er beschreibt Frontverläufe und Kriegsereignisse in verschiedenen Gebäuden
Das Blindenheim dessen Bewohner als Minensucher missbraucht wurden.

Überall junge Leute, die nichts zu tun haben.
Später gehen wir Cevapcici essen im Basar. Spaziergang im Basar. Besprechung des Programms.

Montag, 25. Mai
10.00 Uhr. Führung durch die Kinderarche:

Das Gebäude ist sehr gut ausgestattet und gut unterhalten. Alles ist sauber und aufgeräumt. Im Untergeschoss ist Küche, Bad, Büro und das große Spielzimmer für die Kinder, das mir zu voll gestopft mit Sachen scheint. Um die Kletterwand zu benutzen, muss alles andere erst weg geräumt werden. Die Kinderarche ist aus einem Flüchtlingshaus entstanden.

Im 1. Stock ist Bastelraum und Bibliothek, sowie die ursprüngliche Computerschule. Hier werden auch die Handarbeitskurse abgehalten.

Gespräch mit den Mitarbeitern

Džemo, Fahrer
Er bräuchte dringend einen neuen Bus. Der jetzige ist Baujahr '97 und hat dauernd teure Reparaturen.

Fata, Nähkurse, Betreuung der Frauen
Betreut werden 16 Frauen 3x wöchentlich.
Auch diejenigen, die die Ausbildung abgeschlossen haben, kommen immer wieder. Nur drei haben Ehemänner mit Arbeit. Sie brauchen die Unterhaltung und die Abwechslung. Es wird gelacht und geweint.
Ein neuer Kurs beginnt jeweils im September.
Nach dem Grundkurs besuchen 10 Frauen den weiterführenden Kurs und bleiben, sechs neue kommen dazu. Gleichzeitig werden ihre Kinder betreut
Mittwoch und Donnerstag kommt Masa, die Schneiderin für Nähen und Sticken.
Alle 4-6- Wochen putzen die Frauen die Arche vollständig.

Unter den Frauen sind welche aus Srebrenica. Es geht vor allem um die Traumaverarbeitung. (Könnte man die Mitarbeiter dazu fortbilden oder professionelle Hilfe einsetzen?)

Die Frauen bekommen, wenn sie da sind, ein Essen.

Bakira, ( Köchin)
Seit kurzem für die Küche angestellt (macht einen sehr positiven und selbstbewussten Eindruck im Vergleich zu 2007).
Sie kommt Di. Mi, Do, Fr und kocht erst für Mütter, dann für Kinder. Es gibt zu wenig Obst, wegen der Preise.

Ab und zu gibt es Lebensmittelpakete für arme Familien.

Muamera, Sozialpädagogin
Sie hat am Montag Bürotag und führt Gespräche mit Ministerium und Eltern.
Insgesamt kommen in die Arche 103 Kinder. Von Di – Fr sind jeweils 43 Kinder da.
Sie kommen zu unterschiedlichen Zeiten, da sie Schule im Schichtbetrieb haben.
Außerdem gibt es eine Feriengruppe.

Dienstags kommen 3 ½ – 5 1/2- Jährige (7-8 Kinder).
Sie haben 1 Std. Unterricht, dann gemeinsames Spielen, Mittagessen und dann freies Spielen.
Mittwochs Vorschulkinder (8-10 Kinder).
Hier werden besonders schwache Kinder gefördert zur Vorbereitung auf die Schule. Ein Kind, mit ADHS, das keine Schule nehmen wollte, hat Muamera auf die Schule vorbereitet. Mittlerweile hat sie einen Ruf in dieser Richtung und wird von Schulen und Ämtern angesprochen.

Donnerstags wie mittwochs gemischte Gruppe, freitags Schulkinder.
Vor jeder Aufnahme macht Muamera einen Hausbesuch, ein Fragebogen wird ausgefüllt. Bei vielen Familien ist, auch in den vergangenen sechs Jahren, keine Verbesserung festzustellen.
Derviša hat z. B: kein Geld für Bücher. Hier wäre mehr materielle Hilfe notwendig.
Zu den Geburtstagen gibt es keinen Kuchen mehr. Gebraucht werden auch Bastelsachen aller Art.

Masa, Schneiderin
Überprüft die Maschinen und setzt sie instand. In den Kursen sind Anfängerinnen und Fortgeschrittene.
Zwei der Absolventinnen haben Änderungsschneidereien aufgemacht, eine davon, Mirsada, ist im Basar in der Stadt zu finden.

Es gibt Dokumentationen für alle Frauen und Kinder. Die Arbeit der Kinderarche wird jährlich überprüft und neu genehmigt.

Jasminka gibt PC- Kurse.
Die Familie ist aus Montenegro geflohen und hat keinen rechtlichen Status in Bosnien. Sie ist Pädagogin und will sich fortbilden. Die 200 Mark, die sie für den Nebenjob erhält, sind eine Art Stipendium für sie.
Sie hat 37 Kinder in 6 Gruppen. Sie lernen Hardware kennen, Office, PPT und Excel-Anwendungen. Die Gruppen sind nicht nach Alter, sondern nach Level eingeteilt, die Kinder sind 8-12 Jahre alt.
Wünschenswert wäre ein Internetanschluss für die Kinderarche.

Die Kinder bräuchten Kleiderspenden und Schulmaterial!

Dienstag, 26. Mai

Senada Karić, Sozialministerin der Zentralregierung.

Das Gespräch verläuft recht einseitig und allgemein. Themen sind Kinder und Alte als schwächste Gruppe der Gesellschaft, Traumatisierungen.
Regierung und NGOs arbeiten an Konzept zur Persönlichkeitsentwicklung.
Die Art der Hilfe verläuft in Phasen. Erst Nahrungsmittel und Häuser, heute geht es um Menschenrechte und Menschenwürde, die Entwicklung hin zu einem normalen Leben.
Jetzt kommen andere Organisationen als gleich nach dem Krieg

Sie selber sieht die Verfassung kritisch, weil sie nicht von den Bosniern selber gemacht wurde.
Das Dayton- Abkommen, Annex 4, ist weder ratifiziert, noch umgesetzt und auch nicht offiziell gedruckt. Bosnien befindet sich wirtschaftlich auf einer Ebene mit Bangladesh oder Kongo. In den kommenden Jahren werden die Lebenshaltungskosten um bis zu 80% steigen.

Gesetz über die Arbeit ausländischer Organisationen: Sie müssen in ein Register eingetragen sein und Projektbeschreibung muss genehmigt sein. Die Arbeit der Institutionen wie Kinderarche wird auf kantonaler Ebene beurteilt. Es müssen alle drei Monate Berichte verfasst werden, mindestens aber 1x jährlich. Es gibt auch unangemeldete Kontrollen. Die Genehmigung zum Betrieb wird jedes Jahr neu erteilt.

Ein Wertewandel in der Gesellschaft ist festzustellen: Junge haben nicht mehr Arbeit als Wert, sie lachen über Alte, die nichts haben. Sie haben oft alles verloren und bekommen keine Rente. Als Ziel der Erziehung ist die Familie anzusehen.

Ein funktionierender Rechtsstaat fehlt, sogar Grundbuchfragen sind ungeklärt, es gibt keine Rechtssicherheit.

Thema Ökologie wird wichtig sein, Bosnien hat Natur

Nachmittags:
Fest in der Kinderarche

Die Frauen haben ein großartiges Buffet zusammengestellt. Die Kinder fallen Vitzi in die Arme. Džemo macht Cevapcici. Es sind auch die Frauen da, die im Juli mit nach Deutschland fahren werden.

Wir pflanzen mit den Kindern einen Apfelbaum: ökologische Erziehung ist wichtig. Es sollte ein Gemüsegarten angelegt werden.

Gespräch mit Elvis

Elvis hat große Schmerzen in einem Bein. Das andere wurde in Eichstätt operiert und hat seitdem keine Probleme gemacht. Leider sind für eine zweite OP in Eichstätt keine Mittel da. Es muss also ein neuer Weg gesucht werden.
Elvis wird einen Spezialisten in Tuzla aufsuchen und sich in Sarajevo im Hinblick auf eine OP untersuchen lassen. Er hat gehört, in Zagreb werden gute OPs gemacht. Er soll das selber herausfinden. Wir werden ihn dann für so eine OP unterstützen können, vielleicht vom LUCAS- Laden. Christoph wird Preise von Prothesen in Deutschland herausfinden bis Juli, denn die Preise von 6000 Euro erscheinen sehr hoch.
Um Elvis Mut zu machen, sein Schicksal in die Hand zu nehmen. machen wir ihm das Angebot, ihm ein Stipendium zu geben, falls er im kommenden Jahr mit guten Noten seine Schule abschließt. Er könnte auch in der Kinderarche wohnen und mit helfen. Aber es liegt an ihm, sich anzustrengen.
Er ist in Englisch nicht so gut, sagt er. Andererseits spricht er gut Deutsch. Falls er Jura als Fach wählt, könnten wir ihn gut unterstützen, aber es soll bei ihm liegen, was er macht.

Mittwoch, 27. Mai

Gespräch in der deutschen Botschaft

Botschafter Schmidt ist sehr entgegenkommend, er hört sich gerne unsere Geschichte an und macht bei der Idee Jugendherberge beide Daumen hoch. Er sieht kaum mehr Organisationen, die sich in Bosnien betätigen wollen, weil es zu kompliziert ist und ist dankbar für jedes Engagement.

Die Visaliste für den Deutschland-Besuch wird weiter gegeben. Herr Heinz kümmert sich.