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Minenopfer

In den ersten Jahren nach dem Krieg wurden verstärkt Minenopfer unterstützt und betreut. Nach Bedarf und unseren Möglichkeiten entsprechend bekamen sie materielle, finanzielle und psychosoziale Hilfe. Einige von ihnen haben auch an den PC-Kursen teilgenommen. Für diese Kinder und Jugendlichen ist das Erlernen der Informatik-Grundkenntnisse und der Arbeit am PC von besonderer Bedeutung, da diese Tätigkeit für die meisten von ihnen die einzige ist, die sie später beruflich ausüben werden können. Die Geschichte von Lalo ist der beste Beweis für den Erfolg unsrer Arbeit auf diesem Gebiet. Nach dem Umbruch im Jahr 2004 musste dieses Programm leider zum größten Teil eingestellt werden. Dank der Kirchengemeinde Marktredwitz können wir dennoch Elvis weiterhin unterstützen.

Obwohl vom Schmerz geprägt, ist die Geschichte von Lalo eine schöne, ermutigende Geschichte. Lalo wurde als Jugendlicher von einer Mine schwerst verletzt, sein zerfetztes Bein wurde so gut wie damals möglich verarztet, an seinen ewigen Begleiter Schmerz musste er sich irgendwie gewöhnen. Meistens war er nur mit Hilfe von Medikamenten auszuhalten. Die halfen zwar gegen diesen Schmerz, brachten jedoch Konzentrationsschwäche, Schläfrigkeit, Ermüdung mit sich. Wie kann man da für die Schule oder gar für das Studium lernen? Doch Lalo ließ sich nicht entmutigen. Wenn es sein musste, verzichtete er auf Medikamente und lernte fleißig, trotz Schmerzen. Um sein Jura-Studium zu finanzieren, arbeitete er als Kursleiter in unserer PC-Schule in Sarajevo. In diese Schule kam er einst als Schüler, als einer der vielen Minenopfer, die dort die Möglichkeit bekamen, Informatik zu lernen und so ihre beruflichen Chancen zu verbessern. Heute ist Lalo ein Diplom-Jurist und arbeitet am obersten Gerichtshof Bosniens.

Elvis wurde am 04.09.1991 in Zvornik, Bosnien-Herzegowina, geboren und lebte bis zum Kriegsausbruch 1992 im nahegelegenen Dorf Klisa. Nachdem im April 1992 sein Vater und Großvater verschleppt und getötet wurden, flüchtete der Junge mit der Mutter nach Deutschland. Sie lebten in Duisburg bis 1998, dann erhielten sie die Abschiebung und mussten nach Bosnien zurückkehren. Da ihr Dorf noch von Serben besetzt wurde, lebten sie eine zeitlang, zusammen mit der Großmutter, in einer fremden Wohnung in Srebrenik, nahe Tuzla.

Am 01.05.1999 besuchte die Familie zum ersten Mal ihr Heimatdorf und das zerstörte Haus. Im Hof des Hauses befand sich ein unexplodierter, in keiner Weise markierter oder gesicherter Sprengkörper, den Elvis und ein anderer Junge fanden. Bei der Explosion kam dieser Junge ums Leben, während Elvis schwerst verwundet wurde. Ihm mussten beide Unterschenkel amputiert werden, außerdem erlitt er Verletzungen am rechten Auge und im Gesicht (Nasennebenhöhlen).

Die Wohnungsnot der Familie wurde im Jahr 2000 durch Hilfeleistungen einer schwedischen humanitären Organisation gelöst. Da ihr ehemaliges Haus in Klisa vom Krankenhaus und von der Schule sehr entfernt war, verzichtete die Familie darauf und erhielt als Ersatz ein kleines neugebautes Haus in Srebrenik. Weiterhin blieb aber die finanzielle Lage der Familie sehr schwer. Elvis, seine arbeitslose Mutter und die Großmutter leben von einer kleinen Rente und einer Behindertenrente, die äußerst unregelmäßig ausbezahlt werden.

Die ersten Prothesen nach seinem Unfall bekam Elvis aus Deutschland. Die Erzieherinnen und die Eltern aus dem Kindergarten in Duisburg, den Elvis besucht hatte, haben eine Spendenaktion organisiert und diese Prothesen besorgt. Da Elvis wächst und sich körperlich normal weiterentwickelt, wurden die Prothesen jedoch ziemlich schnell zu klein und sehr unbequem. Die Oberschenkelknochen des Jungen wuchsen aus seinen Beinstummeln heraus in einem Ausmaß, das normales Laufen erschwerte und äußerst schmerzhaft machte. Diese Situation beeinträchtigte das Leben des Jungen sehr, er war nicht einmal mehr in der Lage, ohne große Schwierigkeiten die Schule zu besuchen oder mit seinen Freunden zu spielen.

Um Elvis zu helfen, wurde es notwendig, sowohl eine Operation an seinen Beinen vorzunehmen als auch neue, passende Prothesen zu besorgen. Wegen ihrer finanziellen Not war seine Familie nicht in der Lage, diese durchaus erforderlichen Schritte zu unternehmen. Deshalb organisierte die Kriegskindernothilfe e.V. im September 2001 eine Operation in Eichstätt, nach der auch die neuen Prothesen besorgt wurden.

In dieser Zeit wurde der Rotary Club Rottaler Bäderdreieck auf Elvis aufmerksam und lud ihn im Oktober 2002 zur Rehabilitation nach Deutschland (Bad Griesbach) ein. Nach diesem Aufenthalt in Deutschland bekam der Junge auch neue, passende Prothesen.

Im Juli 2005 konnte Elvis dank des Engagements der Kirchengemeinde Marktredwitz und des Eichstätter Krankenhauses erneut operiert werden (diesmal nur am einen Bein) und bekam wieder neue Prothesen.

In den folgenden vier Jahren waren seine Knochen wieder herausgewachsen, so dass er die ohnehin zu klein gewordenen Prothesen noch kaum benutzen konnte. Wieder wurde eine Operation dringend notwendig, um dem Jungen ein normales, selbständiges Leben zu ermöglichen. In einer beispielhaften Hilfsaktion während des Deutschland-Besuches der Kinder und Frauen aus dem Kinderarche-Programm im Juli 2009 unterstützten viele Marktredwitzer Bürger diese unerlässliche medizinische Maßnahme. Elvis wurde im Klinikum Fichtelgebirge operiert und erholte sich sehr schnell. Die neuen, perfekt angepassten Prothesen geben ihm nun die Möglichkeit schmerzfrei zu laufen und als Mitglied einer Sitzvolleyballmannschaft sogar wieder Sport zu treiben.

Anfang November 2009 besuchte eine Delegation aus Marktredwitz Elvis und seine Familie in Srebrenik. Der junge Mann empfing sie überglücklich und erzählte ausführlich über seinen Alltag und seine Zukunftspläne. Nach dem Abitur im Sommer 2010 würde er am liebsten in Sarajevo Jura studieren – und wir werden versuchen, ihn bei der Verwirklichung dieses Wunsches unseren Möglichkeiten entsprechend zu unterstützen.